Sehr geehrte Silatuy,
auch Ihr Beitrag verdeutlicht, dass vielen (potentiellen) Eltern, Müttern wie auch Vätern, an Hintergrundinformationen fehlen.
Die Diskussion zur Sorgerechtsreform ist vielfach von Ängsten geprägt, die insbesondere von den Gegnern dieser Reform (in erster Linie von djb und VAM(v), aber auch Sachbearbeitern in Jugendämtern) geschürt wurden, sich jedoch weitgehend ausräumen lassen.
Das Kümmerargument, kann keines sein, wenn das Kind aus einer flüchtigen Beziehung entsteht und die Mutter gemäß 1615l BGB auf alleinige Betreuung besteht. Kein Vater kann hier bisher (und auch zukünftig) einen Betreuungsanspruch ableiten und durchsetzen. Das BVerfG ließ diesen Umstand zwar in seine Entscheidung (1 BvR 420/09, Rn. 59ff) einfließen, aber die Frage zur Gleichstellung der Geschlechter offen.
Ein Vater, der sich zu 100% um das gemeinsame Kind gekümmert hatte war Horst Zaunegger, der für sein Sorgerecht bis zum EGMR klagen musste und dem dieser bescheidene Reformkompromiss maßgeblich zuzuschreiben ist. Auch gehen leider noch viele Väter davon aus, das Sorgerecht bereits zu erlangen, wenn sie die Vaterschaft anerkennen. Sie wissen nicht, dass die Übertragung der elterlichen Sorge auf sie ein weiterer und eigener Vorgang ist.
Teilsätze wie mit der Mutter einigen kann sollen implizieren, dass alle (!) Mütter, deren Sorgerecht bisher nicht infrage gestellt wurde, immer (!) wissen was Kinder zur gedeihlichen Entwicklung benötigen und auf was diese verzichten können. Dies ist nicht zutreffend. Ich beziehe mich auf nationale und internationale Studien, die teilweise von Prof. Matthias Franz (Uni Düsseldorf) durchgeführt und zusammengetragen wurden. Ein Umgangsrecht genügt den Ansprüchen der von elterlichen Trennungen betroffenen Kindern keineswegs, weil es dem Kind an Alltagserfahrungen mit dem umgangsberechtigten Elternteil fehlt. Zudem ist das Umgangsrecht bisher äußerst prekär, für den Elternteil, der es mit dem Kind ausübt.
Warum aber kümmern sich (viele?) Väter gar nicht um ihre Kinder, wie Sie schreiben?
Das hat mehrere Gründe, die leider noch nicht ausreichend wissenschaftlich ausgewertet wurden.
Aus meiner Erfahrung im Umgang mit Vätern sehe ich drei Hauptgründe: Kinder werden ungewollt (in den meisten mir bekannten Fällen auch entgegen Vereinbarungen) geboren, Mütter schreiben Vätern zu viel betreffend Sorge und Umgang vor, bzw. torpedieren den Kontakt der Väter zu den Kindern massiv, Väter sind archaisch geprägt (als Sexualpartner somit durchaus attraktiv, nicht jedoch als sozialisierender Elternteil) somit nicht in der Lage sich mit Teppichratten altersgerecht zu befassen.
BTW: Insgesamt haben Andrea Bambey und Hans-Walter Gumbinger (beide Uni Frankfurt) sechs Vätertypen lokalisiert. Eine entsprechende Studie zu Müttern und es ist davon auszugehen, dass es mehr als nur den einen, der perfekten Mütter gibt - ist mir bisher nicht bekannt.
Kindesentführungen werden schon jetzt überwiegend von Müttern durchgeführt. Der schlechte Teil dieses Witzes ist, dass ein Umzug von Flensburg nach Garmisch (oder, wie Sie so schön schreiben in einen EU-Mitgliedsstaat) regelmäßig gestattet wird, auch wenn hierüber der persönliche Kontakt zum zweiten Elternteil nahezu verunmöglicht wird. Gerade für finanziell nicht gut gestellte Elternteile ein Ding der Unmöglichkeit hier persönliche Kontakte zu Kindern aufrecht zu erhalten. Es kommt also nicht darauf an, ob es sich um einen EU- oder Nicht-EU-Staat handelt, oder welche Elternteile Kinder dorthin verbringen.
In für Kinder lebensbedrohlichen Situationen ist eine sofortige Unterschrift des anderen Elternteils nicht notwendig, jedoch für nachfolgende Behandlungen. Zeit genug 1. Den anderen Elternteil zu informieren 2. Die Behandlung abzustimmen, es sei denn, vorgenannte Allmachtsphantasien stehen der Abstimmung entgegen. Wenn Mütter staatliche Leistungen für sich oder die Kinder beantragen, müssen sie sich genauso offenbaren wie jeder andere Antragsteller, z.B. Väter, die für die Wahrung z.B. von Umgangskontakten auf staatliche Unterstützungen angewiesen sind.
Das von Ihnen beschriebene Horrorszenario ist keines, denn die Möglichkeit einer Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil wurde mit dieser Reform nicht aufgegeben. Neu ist lediglich eine leidlich nachvollziehbare und ausreichende Begründung gegen die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge anzugeben, um diese aufzulösen.
Ihre Fallbeispiele in Ehren, sie sind aber nur wenig plausibel um hieraus pauschale Forderungen abzuleiten.
Zum einen können Sie davon ausgehen, dass mindestens im gleichen Maße mit der Geburt von Kindern in Deutschland auch Mütter auf ein unbefristetes Aufenthaltsrecht spekulieren wie Väter. Zum anderen sind die Geburtenzahlen aus nichtehelichen Mischbeziehungen insgesamt wenig beachtlich (DESTATIS: Geburten in Deutschland, 2012, S.20).
Was Ihr Wohnungsproblem mit dem Vater zu tun hat, erschließt sich mir nicht.
Einzig richtig, wäre die gemeinsame elterliche Sorge ab Geburt,